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Die Test- und Simulationsumgebung „Vehicle in the Loop“ verbindet Realität mit Virtualität.

Das Beste aus zwei Welten

Virtuelle Verkehrssituationen vor Augen haben, aber dabei real Auto fahren: Mit dem Upgrade der erfolgreichen Test- und Simulationsumgebung „Vehicle in the Loop“ ist Carmeq gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern ein wichtiger Entwicklungsschritt gelungen.

Herkömmliche Fahrsimulatoren verfehlten in der Vergangenheit oft ihr angestrebtes Ziel: Ging es eigentlich darum, den Probanden eine möglichst realistische Verkehrssituationen erleben zu lassen, klappte dies nur teilweise. Denn oftmals saßen die Probanden starr und unbeweglich in sogenannten Sitzkisten.

Dabei sahen sie auf einer Leinwand oder per Videobrille naturgetreue Simulationsszenarien, empfanden die dargestellte Fahrsituation aufgrund der fehlenden Dynamik jedoch häufig als wenig realistisch. Oder sie bekamen einen flauen Magen, weil der Gleichgewichtsapparat streikte – die Simulatorkrankheit oder „motion sickness“ hatte sie im Griff.

Abbildung meilenstein 1/2015, Seite 20-21

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Abbildung meilenstein 1/2015, Seite 20-21

Artikel: Das Beste aus zwei Welten


Ein neues Verfahren

Einen ersten wichtigen Schritt hin zu zuverlässigeren Testumgebungen unternahm Audi 2008, indem der Fahrzeughersteller das Prinzip bisher eingesetzter statischer Simulatoren mit den Vorteilen von realen Versuchsfahrten verband. Konkret muss die Versuchsperson seitdem nicht mehr in einer Sitzkiste Platz nehmen, sondern kann sich mit einem realen Versuchsfahrzeug auf einer großen Freifläche bewegen.

Dabei wird ihr über eine Videobrille, ein sogenanntes Head-Mounted-Display, eine eigens auf diese Freifläche angepasste virtuelle Simulationswelt eingespielt. Gleichzeitig misst ein im Fahrzeug verbautes GPS-System die Bewegung des Fahrzeugs und überträgt diese in die angezeigte Simulation. Somit ist es dem Fahrer möglich, sich mit einem realen Fahrzeug und entsprechender Dynamik durch eine virtuelle Welt zu bewegen. Das gesamte Fahrzeug ist also nun der Simulator.

Da Carmeq sich traditionell intensiv mit Fragen der Fahrerassistenz und Simulation auseinandersetzt, erhielt Carmeq 2008 den Auftrag, das „Vehicle in the Loop“ (VIL) weiterzuentwickeln und im Konzern einzusetzen.


Merkmale des VIL

Die große Stärke des VIL liegt darin, dass es die Vorteile eines Simulators mit denen einer realen Versuchsfahrt verbindet. So ermöglicht das VIL ein hohes Maß an Kontrollierbarkeit und Reproduzierbarkeit bei gleichzeitig realistischem Fahrerleben. Insbesondere kritische Situationen, etwa im Kontext des Fußgängerschutzes oder bei Notbremsungen, führen so beim Fahrer zu einem echten Gefahrenbewusstsein, ohne jedoch eine wirkliche Gefahr für ihn darzustellen.

Eine Vielzahl unterschiedlichster Fahrszenarien können so nachgebildet und abgefahren werden. Zudem stimmt im VIL, anders als im statischen Simulator, das wahrgenommene optische Bild mit den vom Körper empfundenen Bewegungen überein, was sich positiv auf die physische Verträglichkeit des VILs auswirkt.

Abbildung meilenstein 1/2015, Seite 22

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Abbildung meilenstein 1/2015, Seite 22

Artikel: Merkmale des VIL | VIL 2.0

Ansprechpartner bei Carmeq:

Thomas Ziller, Leiter Businessteam
Fahrerassistenzfunktionen 3


VIL 2.0

Um dieses Fahrerleben weiter zu verbessern, hat Carmeq 2014, in Kooperation mit der Universität der Bundeswehr in München, das Headtracking des VIL überarbeitet und weiterentwickelt. Dieses misst die Kopfbewegung des Fahrers und zeigt ihm den seiner aktuellen Kopfposition entsprechenden Ausschnitt der Simulation an. Bislang beinhaltete diese Messung eine gewisse Zeitverzögerung, die vom Fahrer oftmals als störend wahrgenommen wurde, nun jedoch auf ein für den Fahrer nicht mehr wahrnehmbares Maß reduziert werden konnte.

Des Weiteren wurde die VIL-Software in ADTF (Automotive Data and Time-Triggered Framework) implementiert, was das Testen neuer Fahrzeugfunktionen erleichtert, die Aufnahme relevanter Fahrdaten verbessert und somit die Anwendbarkeit des VIL weiter erhöht. „Diese hohe Anwendbarkeit des VIL macht es zu einem wertvollen Werkzeug für unterschiedlichste Entwicklungsstufen und Fachbereiche des Volkswagen-Konzerns“, bestätigt Thomas Ziller, Leiter des Businessteams Fahrerassistenzfunktionen 3. Das bezieht sich zum einen auf den Bereich der Entwicklung und Absicherung von Fahrerassistenzsystemen, in dem das VIL bereits mehrfach erfolgreich eingesetzt werden konnte, beispielsweise im Rahmen von Kontrollierbarkeitsstudien.

Zum anderen sind aber auch Einsatzmöglichkeiten jenseits der klassischen Entwicklungsaufgaben denkbar, zum Beispiel im Rahmen von Händlerschulungen, die auf diese Weise auch kritische Assistenzsysteme realistisch erleben können, um diese Erfahrung potenziellen Kunden weiterzuvermitteln. Um mit dem VIL auch zukünftig einen möglichst großen Kundennutzen generieren zu können, wird es fortwährend in den Entwicklungsprozess integriert und weiterentwickelt. Dies beinhaltet neben der Durchführung weiterer Studien und Projekte auch eine kontinuierliche Optimierung der technischen Komponenten, weshalb Carmeq auch in Zukunft eine enge Kooperation mit Partnern aus dem Konzern sowie der universitären Forschung anstrebt.