meilenstein 1.2015

Eine einheitliche Methodik hilft, Validierungsprozesse konzernweit zu verschlanken

Besondere Mission

Carmeq bringt eine einheitliche Methodik voran, die Validierungsprozesse in der Funktionalen Sicherheit konzernübergreifend verschlanken wird.

Fahrerassistenzsysteme (FAS) können Unfälle verhindern und im Ernstfall Leben retten. Ob Fußgängerschutz, Spurhalte- oder Bremsassistenten – die Funktionsfähigkeit der sehr unterschiedlichen Systeme mit ihren zahlreichen Sensoren und Steuerelementen ist dabei das A und O.

Deshalb ist bei Carmeq das Team Funktionale Sicherheit als Teil des Businessteams Safety und Security für die Prüfung der sicherheitsrelevanten Funktionen zuständig. In der letzten Ausgabe des meilenstein wurde es bereits vorgestellt. Schwerpunkt der in Wolfsburg und Berlin tätigen Mitarbeiter sind die sensiblen Systeme Lenkung und Bremse. Doch die Experten denken in ihrem Themenfeld auch kontinuierlich voraus.

Abbildung meilenstein 1/2015, Seite 26-27

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Abbildung meilenstein 1/2015, Seite 26-27

Artikel: Besondere Mission


Gemeinsam statt jeder für sich

So beschäftigten sich bislang die Marken im Konzern – allen voran Volkswagen, Audi und Porsche – jeder individuell mit Fragestellungen rund um die Funktionale Sicherheit. Zwar stand man im kollegialen Austausch, hatte sich aber bisher getrennt um Themen wie Testabläufe und belastbare Ergebnisse der Validierung für definierte Sicherheitsziele gekümmert. Das soll sich nun ändern: Volkswagen sucht nach einer konzerneinheitlichen und effizienten Methodik, ohne natürlich Abstriche bei der Sicherheit machen zu müssen.

Wie dieses konzernübergreifende Vorgehen aussehen könnte, dazu hatte man sich bei Carmeq bereits vor einiger Zeit Gedanken gemacht: Im Rahmen des alle zwei Jahre stattfindenden Innovationswettbewerbs hatte ein Projektteam des Businessteams Safety und Security erfolgreich zwei methodische Ansätze entwickelt.

Zwar hatte es seinerzeit nicht für den ersten Platz gereicht, dennoch war Volkswagen auf die Ideen aufmerksam geworden – und hatte beschlossen, sie zwei Jahre lang im Rahmen eines e-Strategieprojekts zu fördern und zusätzlich Pilotprojekte zu einzelnen Schwerpunkten durchzuführen.


Maßnahmen bündeln, Testfahrten reduzieren

Carmeq verfolgt zwei vielversprechende Ansätze: Der erste sieht die Bildung von sogenannten Äquivalenzklassen vor. Hierfür bündeln Prüfer Kriterien und wählen repräsentative Fehler für eine bestimmte Sicherheitsmaßnahme aus. Damit lassen sich Testfälle auf einen sogenannten Worst Case reduzieren. Dieser bildet dabei die maximale Auswirkung auf Fahrzeugebene ab. In der Praxis heißt das: Die Prüfer testen nicht mehr einen bestimmten Sensor oder ein Bremssystem in möglichst vielen Modellen eines Fahrzeugs – beim Golf etwa GTD, GTE, GTI, Cabrio, Variant oder Sportsvan. Stattdessen bestimmen sie, je nach Sicherheitsziel, möglichst ein einziges, das sogenannte Worst-Case-Fahrzeug. Dieses deckt als reales Testfahrzeug die zuvor definierten Fehlerfälle ab.

Der zweite Ansatz des Strategieprojekts sieht vor, verstärkt mit Simulationen zu arbeiten und relevante Konfigurationen vor einer Testfahrt sorgsam auszuwählen. Beides hilft dabei, die zu testenden Fehler weiter zu reduzieren. Dazu wählen die Prüfer repräsentative Fahrmanöver und Testkriterien aus und treffen eine sinnvolle Auswahl an Feldversuchen. Zudem analysieren sie Einflüsse einzelner Komponenten auf das Fahrzeuggesamtverhalten, bevor die endgültig zu testende Fahrzeugkonfiguration feststeht. Mit der Umsetzung der beiden Ansätze Ende 2015 wird es dem Team von Carmeq gelingen, die Komplexität der Systeme und Vorgänge beherrschbarer zu machen. Zugleich wurde die Effizienz in der Validierung noch gesteigert, nicht zuletzt durch eine konzernübergreifende einheitliche Strategie.


Abstimmungsrunden und Vergleichsfahrten

Carmeq ist für Volkswagen auch stark vernetzend tätig. So finden im Konzern zum Beispiel vierteljährliche Abstimmungsrunden statt, etwa zu den Themen Messtechnik und Validierung. Hierzu lädt Carmeq die Vertreter der Konzernmarken ein. Der gemeinsamen Suche nach validen Ergebnissen dienen auch jährliche Vergleichsfahrten, die Carmeq ebenfalls organisiert: Prüfer untersuchen bei Testfahrten Modelle mit gleicher Plattform – etwa Golf, A3, Leon und Octavia – auf ihr Fahrzeugverhalten und werten diese Daten aus. Abgerundet werden die Vorbereitungen durch Meetings zur Funktionalen Sicherheit. An diesen nehmen neben Vertretern der Marken im Konzern auch Zulieferer teil und berichten von ihrer Arbeit, von Fehlern und Gegenmaßnahmen. All diese Informationen sind angesichts immer komplexer werdender Systeme ein weiterer wichtiger Schlüssel auf dem Weg zu einheitlichen und belastbaren Ergebnissen für mehr Sicherheit.

Mehr Sicherheit mit ISO 26262

Mit der stetig wachsenden Komplexität elektronischer Komponenten in Kraftfahrzeugen steigt auch die Möglichkeit von Fehlfunktionen. Sind sicherheitsrelevante Bereiche betroffen, kann es für Verkehrsteilnehmer gefährlich werden – etwa wenn ein ESP-Steuergerät, das die Fahrdynamik regelt, plötzlich versagt und eine Vollbremsung auslöst.

Modell mit klaren Vorgaben

Wer daher elektronische Systeme, Steuergeräte oder Komponenten für sicherheitskritische Anwendungen in Neuwagen plant und entwickelt, unterliegt der ISO-Norm 26262 zur Funktionalen Sicherheit. Diese Vorschrift der Internationalen Organisation für Normung definiert ein Vorgehensmodell und sieht Aktivitäten sowie Methoden vor, die in Entwicklung und Produktion anzuwenden sind. Die Vorschriften gelten insbesondere für Fahrzeuge bis 3.500 Kilogramm, ausgenommen sind Prototypen. Die Ende November 2011 veröffentlichte Norm verlangt die Validierung der Sicherheitsziele, schreibt aber keine konkrete Methodik vor.

Ansprechpartner bei Carmeq:

Alexander Späthe Leiter Businessteam
Safety und Security