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Bediensysteme

Zwischen Auto und Mensch

Nutzererlebnis über alle Touchpoints hinweg: Carmeq entwickelt und gestaltet Bediensysteme rund ums Fahrzeug.

Kein Vergleich mehr mit den Autos vor fünf Jahren: Wer heute in einem Neuwagen des Volkswagen-Konzerns sitzt, unternimmt womöglich schon vor Fahrtbeginn eine Reise in die Zukunft. Je nach Modell und Ausführung lässt sich der Wagen per Fernsteuerung vom heimischen PC oder Smartphone aus bereits angenehm vorklimatisieren. Infotainmentfunktionen befinden sich direkt zwischen digitalem Tacho und Drehzahlmesser. Dort zeigt zum Beispiel das Navi vorab eingespeicherte Fahrziele gut sichtbar an.

Über den Touchscreen in der Mittelkonsole können Fahrer oder Beifahrer zuvor programmierte Songs abrufen, und per App auf dem Tablet können die Passagiere im Fond des Wagens das Infotainmentsystem ebenfalls bequem bedienen. Über eine weitere App lassen sich zudem vor, während und nach der Fahrt Daten abrufen und visualisieren, zum Beispiel zur Fahrperformance. Und das Beste: Alle Anwendungen sind selbsterklärend und leicht zu verstehen.

Abbildung meilenstein 1/2015, Seite 4-5

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Abbildung meilenstein 1/2015, Seite 4-5

Artikel: Zwischen Auto und Mensch


Fahrerlebnis am Touchpoint

Seit 2003 arbeitet Carmeq im Auftrag des Volkswagen-Konzerns an der Gestaltung der Bedienkonzepte für das Auto mit. Unter dem sogenannten „Human Machine Interface“, kurz HMI genannt, verstand man viele Jahre vor allem das Infotainmentsystem und das Kombiinstrument. Letzteres vereint die klassischen Armaturen wie Tacho und Drehzahlmesser mit anderen Funktionen, etwa der Navigation oder dem Audiobereich. „Im Zuge der zunehmenden Fahrzeugvernetzung haben wir gemeinsam mit Volkswagen jedoch längst begonnen, Automotive-HMI auch über das Fahrzeug hinaus zu denken“, erklärt Julia Ahlers, die von Beginn an mit an Bord war und mit ihrem Businessteam HMI Konzepte und Systementwicklung das Thema bei Carmeq begleitet. „Fahrzeugfunktionen sind heute an unterschiedlichen Punkten, den sogenannten Touchpoints, erlebbar: im Auto selbst, zu Hause am PC und unterwegs auf dem Smartphone oder dem Tablet. Aus Sicht des HMI ergeben sich dadurch immense Veränderungen.“

Um diese Herausforderungen im Einzelnen besser zu verstehen, lohnt ein Blick auf die verschiedenen Touchpoints, die jeweiligen Zugänge zum System. Wer sich etwa mit dem Informations- und Entertainmentangebot innerhalb des Fahrzeugs beschäftigt, muss eine eiserne Regel berücksichtigen: Fahrsicherheit geht vor – die Bedienung von Funktionen, die nicht zur Fahraufgabe gehören, ist sekundär. Entsprechend sind alle Konzepte und das Design auf die Benutzung im fahrenden Auto ausgelegt. Aus diesem Grund wird ständig an der Verbesserung des Infotainmentsystems und des Infodisplays, das durch das Lenkrad zu sehen ist, gearbeitet. Wichtig ist dabei stets auch die Arbeit von Psychologen, die Nutzerstudien durchführen, um mit Probanden Bedienkonzepte zu überprüfen.

„Derartige Tests sind entscheidend“, erklärt Julia Ahlers. „Wir müssen ja wissen, ob Kunden mit den Funktionen klarkommen und sie ohne Probleme auch während der Fahrt bedienen können.“ – Je näher eine Informationsquelle ins natürliche Blickfeld des Fahrers rückt, desto besser und sicherer. Seit Herbst 2014 gibt es im neuen Passat ein frei programmierbares Kombiinstrument, auf das der Fahrer ausgewählte Funktionen vom Infotainmentsystem des Fahrzeugs in sein Sichtfeld rücken kann. Neben der Navigation kann er sich wahlweise Angaben zur Musik, seine letzten Anrufe, Fahrzeugdaten wie Verbrauch oder Reifendruck, Fahrerassistenzsysteme und so einiges mehr anzeigen lassen – bequem vom Lenkrad aus gesteuert.


Digitales Armaturenbrett

Rund zwei Jahre arbeitete eine Projektgruppe von Carmeq im Rahmen von Arbeitspaketen für Volkswagen Design an diesem ersten ausschließlich digitalen Armaturenbrett. Hierfür lag der Aufgabenschwerpunkt für das Team von Carmeq beim sogenannten Motion Design, der Animation. Für alle Beteiligten war die Versuchung der vielen Darstellungsmöglichkeiten zunächst sehr groß. Doch bald stellten sich zentrale Fragen: Wie gestalten wir den Übergang von der analogen Anzeige zur digitalen? Welche klassischen Elemente brauchen wir? Wie gelingt zudem die optische Angleichung an das Infotainmentsystem – und die Synchronisierung auf der technischen Ebene? Das HMI-Team von Carmeq fand gemeinsam mit Volkswagen die Antworten, gestaltete Bedienkonzepte, präsentierte Animationen und erarbeitete Simulationen, die dann vor Ort in Wolfsburg in Prototypen mit Lenkrad und Gaspedal zusammen mit Volkswagen getestet wurden.

Das Ergebnis im neuen Passat beeindruckt: Tachometer und Drehzahlmesser werden zu Beginn der Fahrt volldigital eingeblendet. Hinzu kommen je nach gewähltem Modus Infografiken wie Verbrauch oder Kilometerstand, die sich optional im Inneren des Tachos und des Drehzahlmessers anzeigen lassen. Innerhalb der runden Armaturen erscheinen je nach Modus der Kilometerstand, Verbrauchsdaten, Angaben zu den Fahrerassistenzsystemen oder auch zur Navigation. Alle Bewegungen wurden dynamisch und fließend gestaltet, die klassischen Armaturen bleiben gut erkennbar, werden jedoch aufgelockert. Auf der Fläche zwischen Tacho und Drehzahlmesser lässt sich neben der Menüführung auch die Navigation einblenden. Für die Großdarstellung rücken Tacho und Drehzahlmesser leicht auseinander, bleiben aber immer gut zu sehen. Mit Blick auf die Kundengruppe ist die Verbindung aus klassischem Look und digitaler Darstellung optimal gelungen.

Abbildung meilenstein 1/2015, Seite 6-7

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Abbildung meilenstein 1/2015, Seite 6-7

Artikel: Digitales Armaturenbrett | Teamübergreifende Zusammenarbeit | Übergreifende Nutzerstudien und Prototyping


Teamübergreifende Zusammenarbeit

Doch längst geht das Bedienerlebnis über In-Car-Geräte hinaus. Spätestens mit deren optionaler Konnektivität ergeben sich Verbindungen zu PC, Tablet und Smartphone. Das Team von Julia Ahlers konzipiert, designt und entwickelt Anwendungen für diese Touchpoints, auch in enger Zusammenarbeit mit anderen Teams, nach Bedarf etwa mit dem Team Multimedia-Integration von Alexander Aurich oder Navigation und Online Dienste von Jürgen Schönig. Gemeinsam unterstützen sie den Volkswagen-Konzern bei querschnittlichen Aufgaben, etwa für das Car-Net-Webportal. Anders als im Auto hat der Nutzer zu Hause am Rechner Zeit und die volle Aufmerksamkeit. Am PC oder Laptop können Kunden ihre Fahrten vor- oder nachbereiten. Dank des großen Displays lassen sich etwa die sogenannten „Points of Interest“ (POI) planen und direkt ins Navi exportieren.

Durch die vernetzten Online-Dienste gibt es beispielsweise im neuen e-Golf noch andere praktische Informationen, die sich bequem von zu Hause aus abrufen lassen: Habe ich den Wagen abgeschlossen? Brennt am Auto noch Licht? Und – sehr praktisch in der Großstadt – wo habe ich das Auto eigentlich gestern abgestellt? Das Portal gibt in Sekundenschnelle Antwort. Carmeq begleitete Volkswagen bei der HMI-Entwicklung solcher vernetzten Car-Net-Webportale von Anfang an. Diese Website ist anders als herkömmliche Internetseiten des Vertriebs, welche in der Vergangenheit vor allem zur Kundeninformation und der Konfiguration von Neuwagen dienten. Die Komplexität steigt stetig, denn mit den Car-Net-Portalen wuchs die Seite zu einem Serviceportal mit enger Anbindung an das Fahrzeug und an die In-Car-Geräte.

Das HMI-Team von Carmeq bringt im Entwicklungsprozess die richtigen Leute zusammen, klärt Detailfragen, etwa zu Grafik und Darstellung, und versetzt sich immer wieder in die Position des Nutzers. Zudem begutachtet es die Entwicklung durch Zulieferer und übernimmt im Auftrag von Volkswagen die mitunter komplexe Abstimmung mit ihnen. Entscheidend ist, dass ein User bei jeder Funktion – beispielsweise beim Batterie-Lademanagement oder bei der ferngesteuerten Klimatisierung des Wagens – intuitiv versteht, welche Anwendungen und Darstellungen im Webportal und im Auto zusammengehören, selbst wenn Schriften, Farben oder Formen sich womöglich unterscheiden. Auch müssen die Übergänge von einem Touchpoint zum anderen stimmen, wenn Eingaben am Rechner via Internet an das Fahrzeug gesendet und dort vom Nutzer ausprobiert werden, etwa Fahrziele für die persönliche Navigation.


Übergreifende Nutzerstudien und Prototyping

Auch bei der Weiterentwicklung des Webportals sind Usability-Studien hilfreich. Carmeq ist durch seine Prototyping-Kompetenz in der Lage, Funktionen und Interfaces frühzeitig darzustellen und Volkswagen bei Bedarf auch medienübergreifend Anwendungen im direkten Vergleich zu präsentieren und für Kundenbefragungen bereitzustellen.

Das hilft zum Beispiel bei der Frage, ob die Grafiken zum Ladestatus des e-Golf sowohl in 2D als auch in 3D wiedererkennbar sind. Immer wieder überdenkt man die Konzepte und stellt für seinen Kunden sicher, dass alle gewünschten Funktionen sowohl im Portal als auch im Wagen optimal nutzbar sind.

In Zeiten wachsender Mobilität kommt auch Tablets und Smartphones eine immer größere Bedeutung zu – und mit ihnen den Apps und deren Entwicklung. Schon lange sind sie viel mehr als nur ein Schmankerl mit Unterhaltungswert – im Gegenteil. Sie stellen eine gute Option für innovative Services dar, die auch schon mal etwas kreativer oder unkonventioneller ausfallen dürfen als Anwendungen im Fahrzeug. Carmeq ist in diesem Bereich gut aufgestellt.


App-Entwicklung im Ausbau

Gute Beispiele für Apps mit Serienkonzeption und -design durch Carmeq sind zum Beispiel die „Think blue. Trainer.“ - App für Volkswagen und die Performance App für Škoda. Carmeq sorgte dafür, dass die Kontexte im Fahrzeug-Infotainment und die Apps auf dem Smartphone sowohl optisch als auch von der Bedienung her zusammenpassen. Dazu ist Wissen über die Bedienphilosophien sowohl im Fahrzeug als auch auf den verschiedenen Smartphone-Systemen nötig. Beispielsweise müssen Bedienflächen und Texte im Fahrzeug wesentlich größer sein als auf dem Smartphone, damit diese während der Fahrt bedient werden können.

Trotzdem soll das Look & Feel für den Nutzer auf beiden Systemen einheitlich wirken. Beim „Think Blue. Trainer.“ liefert die Serienfunktion im Fahrzeug die Daten, die dann in der App auswertet werden – in diesem Fall, wie umweltbewusst der Fahrer unterwegs ist. Als Mehrwert und sinnvolle Ergänzung der Serienfunktion kann der Fahrer mittels App auf dem Handy eine Fahrauswertung sowie ein Spritspartraining aufrufen.

Ähnlich funktioniert die Performance-App von Škoda: Diese nutzt Fahrzeugdaten wie Geschwindigkeit, Gaspedaldruck, Beschleunigung und Drehzahl via Fahrzeug-WLAN sowie GPS-Angaben, um dem Fahrer während der Fahrt direkt im Infotainment einen schnellen Überblick über seine Fahrperformance zu geben. Nach der Fahrt werden die Daten im Smartphone detailliert aufbereitet und in einer Kartendarstellung via Google Maps visualisiert. Messwerte lassen sich individuell speichern, vergleichen oder auf Wunsch mit anderen Fahrern teilen. So wird jedes Interface seinem Zweck entsprechend genutzt – in Funktion, HMI und Design. Unterm Strich wird das Fahrerlebnis damit noch greifbarer. Für die Performance-App hat Carmeq nicht nur Bedienkonzept und Design erarbeitet, sondern auch die Serienentwicklung und das abschließende Testing übernommen. Hier funktioniert die Arbeitsteilung reibungslos: Während das Team von Julia Ahlers Apps schwerpunktmäßig für Apple iOS entwickelt, erstellt das Team um Alexander Aurich seit Jahren Anwendungen in Android. „Beide Teams arbeiten eng und vernetzt miteinander“, erklärt Alexander Aurich. „Konzepter, Designer und Entwickler kommen schon recht früh zusammen und stimmen insbesondere in der gemeinsamen Serienentwicklung alles auf die jeweiligen Betriebssysteme ab.“ Dieses integrierte Arbeiten stellt sicher, dass am Ende Produkte entstehen, die technisch bestens abgestimmt sind und außerdem ein harmonisches Zusammenspiel zwischen System und Nutzer ermöglichen.

Die Performance-App steht nun für den Škoda Fabia im Apple Appstore und im Google PlayStore zum Download zur Verfügung. Weitere Beispiele für die App-Entwicklung bei Carmeq sind die Škoda Motorsound App, die Volkswagen-Infotainment-App für Quicar und eine geplante neue Version von Media Control. Letztere ermöglicht den Zugriff auf das Infotainment auch für Passagiere im Fond, per App auf Smartphone oder Tablet. Mehr zu beiden Anwendungen auf Seite 13.

Alle Touchpoints sind heute miteinander vernetzt: Apps und Infotainment-System sind aufeinander bezogen; auch eine Car-Net-App gibt es bereits, deren Inhalte wiederum mit denen des Webportals abgestimmt sind. Immer wichtiger wird es, Bedienvorgänge auf allen Devices als Kundenerlebnis durchgängig und homogen zu gestalten. Dabei stellt sich bloß die Frage: Portale, Vernetzung, MirrorLink®, allseitige Bedienbarkeit einerseits, viele Teams und Abteilungen, Zulieferer und unterschiedliche Standorte andererseits – müssen sich da nicht auch Entwicklungsprozesse ändern, wenn Anforderungen und Zusammenhänge immer komplexer werden? Im Klartext: Wie gelingt es, statt einer Funktion den Kunden mit seinen Bedürfnissen, Alltagssituationen und Erlebniswelten in den Mittelpunkt eines effizienten Entwicklungsprozesses zu stellen?


Service-Design-Prozess als neues Rahmenwerk

Diesen Fragen geht das HMI-Team von Carmeq nach. Als methodisches Rahmenwerk, das für den Nutzer das konsistente Erleben im und um das Auto erzeugt, gilt hier der sogenannte Service-Design-Prozess (siehe Schaubild). Von der Ideenfi ndung bis zu ihrer Implementierung verbindet dieser Ansatz zwei entscheidende Prämissen: den Fokus auf passgenaue Produkte und Dienstleistungen zu legen und für deren Umsetzung von Beginn an alle Beteiligten ins Boot zu holen. Mit Workshops, Entscheidungs- und Überarbeitungsphasen werden Ideen immer weiter verfeinert. Dann erst werden Konzepte und Designs für die einzelnen Touchpoints umgesetzt, getestet und schließlich implementiert. Vorteile dieses Prozesses: Die Konsistenz der Bedienkonzepte und Interfaces der verschiedenen Touchpoints wird sichergestellt, da alle auf der gleichen Basis aufsetzen. Alle Projektverantwortlichen sind eng miteinander verzahnt, sie können fl exibel und schnell auf Veränderungen reagieren. Wenn etwa eine Teilfunktion einer neuen App geändert werden muss, ist eine Angleichung des Services im Webportal oder für die Interfaces im Fahrzeug sofort umsetzbar – alle sind immer auf dem Laufenden.

Bei Carmeq ist man sich jedenfalls sicher: „Apps, Webportale und das HMI im Fahrzeug gehören in Zukunft untrennbar zusammen“, bestätigt Geerd Anders, Leiter des Bereichs Architektur und Technologien. „In unseren Businessteams etablieren wir den Service-Design-Prozess Schritt für Schritt und legen so die Grundlage für eine systematische nutzerzentrierte und Touchpoint-übergreifende HMI-Entwicklung.“ Die nächste Herausforderung wartet bereits – mit der zunehmenden Verbreitung von Smartwatches. Carmeq hat für einige Modelle bereits prototypisch Funktionen und das dazu passende HMI umgesetzt, zuletzt zu sehen im Januar auf dem Volkswagen-Stand der Consumer Electronics Show in Las Vegas. Dort wurde unter anderem das Fahrerassistenzsystem „Trained Parking“ mithilfe einer Smartwatch-App eindrucksvoll vorgeführt. Sozusagen aus dem Handgelenk werden sich womöglich schon bald andere Funktionen fernbedienen lassen. Und auch die Bedienung an der Smartwatch wird zukünftig mit den anderen Interfaces zusammenpassen. Carmeq empfi ehlt sich hierfür als kompetenter Ansprechpartner mit einem breiten Leistungsspektrum über alle Touchpoints hinweg.

Abbildung meilenstein 1/2015, Seite 8-9

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Abbildung meilenstein 1/2015, Seite 8-9

Artikel: App-Entwicklung im Ausbau | Service-Design-Prozess als neues Rahmenwerk

Ansprechpartner bei Carmeq:

Dr. Geerd Anders, Bereichsleiter
Architektur und Technologien

Julia Ahlers, Leiterin Businessteam
HMI Konzepte und Systementwicklung

Alexander Aurich, Leiter Businessteam
Multimedia-Integration

Jürgen Schönig, Leiter Businessteam
Navigation und Online Dienste